HP Psychotherapie
Das Stresstoleranzfenster – Wie wir innere Balance finden

Psyche & Zeitgeist – Zwischen Mindset und Menschsein
Es gibt ein Konzept in der Psychotherapie, das ich in meiner Arbeit immer wieder als Modell erlebe: das Stresstoleranzfenster. Ursprünglich entwickelt von Dr. Dan Siegel beschreibt es den Bereich, in dem wir emotional ausgeglichen sind, präsent bleiben und flexibel auf unsere Umwelt reagieren können. In diesem Zustand spüren wir innere Sicherheit, Klarheit und eine natürliche Verbundenheit mit uns selbst und anderen.
Doch nicht immer gelingt es uns, innerhalb dieses Fensters zu bleiben. Wenn die Anforderungen des Lebens zu groß werden, verlassen wir diesen geschützten Bereich. Manche Menschen geraten dann in einen Zustand von Übererregung – der Körper ist im Alarmmodus, Gedanken rasen, Gefühle schwappen über. Andere wiederum erleben das Gegenteil: eine Untererregung, die sich anfühlt wie innere Leere, Rückzug oder Erstarrung. Diese Reaktionen sind keine Zeichen von Schwäche oder Versagen, sondern Ausdruck eines natürlichen Schutzsystems, das versucht, Überforderung zu bewältigen.
Was in solchen Momenten hilft, ist die Fähigkeit zur Selbstregulation. Sie ermöglicht es uns, nach innen zu lauschen und Wege zu finden, wieder in unser eigenes Stresstoleranzfenster zurückzukehren. Dieses Balancieren zwischen Aktivierung und Entspannung ist eine grundlegende Bewegung, die unsere psychische Gesundheit stärkt. In meiner Arbeit als Heilpraktiker für Psychotherapie im Odenwaldkreis unterstütze ich Menschen dabei, diese Bewegungen besser zu verstehen und für sich zu nutzen, insbesondere bei Themen rund um Stressbewältigung, emotionale Regulation und innere Balance.
Oft beobachte ich, wie Menschen zusätzlich zu ihrem äußeren Erleben noch eine zweite Bedeutungsebene aufbauen. Es bleibt nicht bei dem Erleben von Stress oder Überforderung. Schnell entsteht ein innerer Dialog, der fragt: Was stimmt nicht mit mir? Warum bin ich so? Warum kann ich nicht anders? Dieses Infragestellen verstärkt häufig die innere Anspannung. Dabei wäre gerade in solchen Momenten Mitgefühl mit sich selbst notwendig – die freundliche Anerkennung, dass auch diese Reaktion ein Teil der eigenen Schutzstrategie ist.
Um diesen Prozess bildlich zu verstehen, lade ich gern eine kleine Geschichte ein: Stell dir einen Fluss vor. Manchmal fließt er ruhig, klar und gelassen dahin. Dann wieder steigt er über die Ufer, tobt und reißt alles mit sich fort. Oder er versiegt beinahe, nur ein stilles, dünnes Rinnsal bleibt. Doch unabhängig davon, ob er stürmt oder schweigt – der Fluss bleibt der Fluss. Auch unser inneres Erleben verändert sich ständig. Nicht jede Unruhe, nicht jede Erschöpfung bedeutet, dass etwas falsch ist. Es sind lediglich verschiedene Erscheinungsformen unseres Daseins. Eine Brücke, gebaut aus Achtsamkeit, Selbstmitgefühl und manchmal auch therapeutischer Begleitung, kann uns helfen, sicher über diese wechselnden Wasser zu gehen.
Balance zu halten bedeutet nicht, nie aus dem Gleichgewicht zu geraten. Es bedeutet, sich immer wieder neu einzustimmen auf das, was gerade da ist, die eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu achten. Es bedeutet, freundlich mit sich selbst zu sein, wenn alte Muster auftauchen, wenn der Körper rebelliert oder die Seele still wird. Die Kunst besteht darin, die Bewegungen des Lebens anzunehmen, nicht gegen sie zu kämpfen. So entsteht Raum – Raum für Entwicklung, für ein tieferes Verstehen der eigenen inneren Landschaft.
In meiner Praxis für Psychotherapie im Odenwaldkreis begleite ich Menschen auf diesem Weg. Gemeinsam erkunden wir, wie das eigene Stresstoleranzfenster erweitert werden kann, wie Selbstregulation gelingt und wie neue Wege der Stressbewältigung gefunden werden können. Jeder Mensch bringt seine eigene Geschichte, seine eigenen Erfahrungen und seinen eigenen Rhythmus mit. Und genau darin liegt die Kraft: in der Rückverbindung zu dem, was in uns lebendig ist.
Vielleicht ist die größte Freiheit, die wir gewinnen können, nicht das perfekte Gleichgewicht, sondern die Bereitschaft, immer wieder neu auszubalancieren, immer wieder zurückzukehren – zu uns selbst.